Stimme aus der Branche
«Nachhaltig heisst auch langlebig!»
perspective: Ökologie, Nachhaltigkeit, Umwelt – das 1,5 Grad-Ziel zur Erderwärmung und netto Null bei Co2 . Nationale Ziele, europäische
und globale Ziele, und schlussendlich die Zukunft des Planeten und der Menschheit. Die Themen sind vielfältig, omnipräsent und mitunter beklemmend. Auch Hultafors engagiert sich. Wie? Besser? Allenfalls «nachhaltiger»?
Oliver Fierz: Zunächst leben wir als Konzern in der Grundspannung von wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten und den Anliegen der Nachhaltigkeit. Sie lassen sich oft nur bedingt zur Deckung bringen. Die Divergenzen spornen uns aber auch an im Bemühen um bestmögliche Übereinstimmung. Dabei suchen wir stets die Gesamtsicht. Denn nicht selten fokussiert man auf einzelne, eng definierte Umweltanliegen und auf begrenzte Aktivitäten. Werden aber Einzelaktionen hochgejubelt oder Nachhaltigkeit mit Effekthascherei verwechselt, geht der Blick für die grossen Zusammenhänge verloren.
Da denkt man unwillkürlich auch an Green-washing …
«Tue Gutes und sprich darüber» ist per se nicht falsch, kann aber die Sicht aufs Ganze vernebeln. Unser Konzern leistet seinen Beitrag mit
fundierten, langfristig wirksamen Ansätzen und konkreten Massnahmen, ohne die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu vernachlässigen.
Sie spielen auf ESG1 an?
Ja, die in ESG zusammengefasste Orientierung an Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen (1 engl: Environmental, Social and Corporate Governance), ist unsere aktuelle Leitlinie zur Unternehmensführung. Wir erkennen darin unsere Gesamtverantwortung und berücksichtigen gleichzeitig die Interessen unserer Stakeholder. Auch wichtig: ESG-Ziele sind nur in «Top-downProzessen» zu erreichen. Unser Group-CEO steht voll dahinter und macht damit die konzernweiten Anstrengungen und Erfolge bis an die Basis erst möglich.
Konkretes Beispiel?
Unsere «Zero Waste Socks» – zwar ein Nischenprodukt – bestehen zu über 90 % aus rezyklierten Alttextilien. Das Einsammeln, Rückführen
und Aufbereiten der Fasern erfolgt ausschliesslich in Europa, um die Immissionen gering zu halten.
Kleiner Zwischenruf: Socken retten die Umwelt nicht …
Gewiss, aber wir setzen mit diesem Produkt ein starkes Zeichen, schaffen Bewusstsein und zeigen: Es geht! – Kleider haben generell einen
grossen Impact auf Ressourcen wie Wasser, Land und Rohstoffe, auf gerechte Löhne und Arbeitsbedingungen, auf Chemie- und Farbeinsatz,
auf weltweite Transporte, Kreislaufwirtschaft usw. Wir ersetzen die alltäglichen Virgin fibres, also in Massen neu produzierte Textilfasern, zunehmend durch nachhaltige Materialien und verwenden Mischgewebe mit rezyklierten Anteilen. Wo es möglich ist, setzen wir auch auf «Solution-Dye». Dabei mischt man das Farbpigment dem Polymer bei, bevor die Faser gesponnen wird. So entstehen durchgefärbte Fasern statt Textilien, die aufwändig nachgefärbt werden müssen. Das herkömmliche energie- und wasserintensive Färben entfällt.
«PFAS» ist heute ein vielgehörter, meist kritisch konnotierter Begriff im Bereich Textilien.
PFAS sind chemische Stoffe, z. B. für wasserabstossende Beschichtungen. Sie sind zwar hochfunktionell, aber mit kaum zu eliminierenden
Rückständen und somit ein Umwelt- und Gesundheitsrisiko. Wir arbeiten bereits seit 2019 aktiv an neuen Lösungen und versuchen, bis Ende
2024 sämtliche Snickers-Produkte ohne absichtlich zugesetzte PFAS-Chemikalien zu produzieren.
Wir haben eingangs über die grosse Sicht gesprochen. Umwelt und Nachhaltigkeit haben aber auch ganz praktische Aspekte. Was passiert konkret bei Ihnen?
Unser Konzern gibt laufend angepasste Ziele und Richtlinien vor, etwa zur Wahl und zum Umgang mit Fahrzeugen. Wir rapportieren quartalsweise den Treibstoff- und Energieverbrauch. Dabei wird mit den Vorjahresperioden verglichen, aber auch die Relation zu den gefahrenen Kilometern und den erreichten Umsätzen geprüft. Ausserdem fassen wir Lieferungen bestmöglich zusammen und verwenden wo immer möglich statt neuer Kartons rezyklierte und wiederverwendbare Kunststoffbeutel oder Schachteln. – Hier in Neuenhof arbeiten wir mit einem lokalen Schneider zusammen. Sinnvolle Reparaturen lassen wir also vor Ort durchführen und retten oder optimieren so das Produkt. Dabei geht Kundenzufriedenheit oft vor kurzfristigem Umsatz.
Stichwort lokal: Was kann der Fachhandel beitragen?
Wer Online fünf Produkte zur Probe bestellt und vier wieder retourniert, agiert sicher nicht nachhaltig. Demgegenüber stützen und ergänzen stationäre, gut assortierte Geschäfte unser Bestreben: Sich kompetent beraten lassen, anprobieren und das Richtige kaufen, das ist ökologisch!
Die aktuelle Päckliflut – auch im privaten Konsum – ist es nicht. Dies verlangt allerdings eine angemessene Lagerhaltung, in unserem Zentrallager wie auch vor Ort beim Fachhandel, damit der Endkunde die richtige Wahl treffen kann.
Wagen Sie ein Fazit zu den hier festgehaltenen Überlegungen?
Gerne! Ökologisches Bestreben darf Produkte weder schlechter noch teurer machen. Ebenso wenig sollten wir Nachhaltigkeit ohne Wirtschaftsbezug als alleiniges Ideal hochhalten. Auch bei Textilien mit Öko-Anspruch müssen Tragekomfort, Haltbarkeit und Design über alle
Zweifel erhaben sein. Sonst kauft der Kunde seine nächste Arbeitshose andernorts und entscheidet sich allenfalls für ein weniger ökologisches
Produkt. In der Gesamtschau bedeutet Nachhaltigkeit also das bestmögliche Ergebnis aus dem Zusammenwirken verschiedener Erwartungen
und Ansprüche, Forderungen und Vorgaben: Eine spannende Daueraufgabe mit grosser Verantwortung für unsere Zukunft.